... Lernen in Neckarbischofsheim

Beeindruckt von angehenden Bildungsfachkräften

Heidelberg. „Mir reicht es nicht, Schrauben zu verpacken – ich kann mehr und möchte mich weiterentwickeln. Außerdem wollte ich schon immer Lehrer werden. Mit der Qualifizierung komme ich diesem Traum ein großes Stückchen näher.“ So beantwortet Thilo Krahnke die Frage der Landes-Behindertenbeauftragten Stephanie Aeffner nach seiner Motivation, an dem Projekt „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“ teilzunehmen. Sein Kollege Thorsten Lihl ergänzt: „Ich fühlte mich lange geistig unterfordert und suchte eine neue Herausforderung. Ich möchte Neues dazu lernen und einen Job haben, bei dem ich abends weiß, warum ich müde bin.“

Von der Motivation und dem Willen, neue Herausforderungen zu meistern, konnte sich die Landes-Behindertenbeauftragte von Baden-Württemberg, Stephanie Aeffner, in Heidelberg selbst überzeugen. Im Juni besuchte sie mit Dr. Erich Streitenberger vom baden-württembergischen Wissenschaftsministerium sowie Sarah Waschler vom Sozialministerium die sechs Teilnehmenden des Projekts „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“. Für diese hat sich in den letzten Monaten so einiges geändert. Haben sie zuvor noch in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen gearbeitet, so fahren sie nun täglich zur Graf von Galen-Schule, wo seit November 2017 die dreijährige Vollzeit-Qualifizierung stattfindet. Dort lernen sie unter anderem theoretisches Wissen zu den Themen Arbeit, Bildung und Teilhabe.

Aeffner und die weiteren Besucher zeigten sich beeindruckt von dem im Land einmaligen und innovativen Projekt und den Teilnehmenden selbst. Es entstand ein reger Austausch über die Erfahrungen, die die angehenden Bildungsfachkräfte bislang machen konnten. „Ich bin selbstbewusster geworden und lerne, meine Aufregung, vor Gruppen zu sprechen, in den Griff zu kriegen“, fasst Thilo Krahnke zusammen. Denn die modular aufgebaute Qualifizierung umfasst sowohl Theorie- wie auch Praxisanteile. Die angehenden Bildungsfachkräfte lernen neben theoretische Inhalten, wie man Seminare aufbaut, sie erhalten methodisches Wissen und sie üben z.B. das Sprechen vor Gruppen. Nach dem ersten Modul der Qualifizierung finden regelmäßig Praxisphasen statt, in denen das Gelernte und Geübte in Seminaren und Workshops an Fach- und Hochschulen umgesetzt wird. So leisten die sechs Frauen und Männer, die als geistig behindert gelten, seit April Bildungsarbeit an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Als Experten und Expertinnen in eigener Sache vermitteln die angehenden Bildungsfachkräfte den Studierenden in Seminaren ihre Lebenswelten in den Bereichen Bildung, Arbeit, Freizeit und Wohnen. Und davon haben alle etwas: Für die Teilnehmenden an der Qualifizierung eröffnen sich neue Perspektiven und die Chance auf mehr Teilhabe. Zukünftige Lehr-, Fach- und Leitungskräfte entwickeln ein Bewusstsein für die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderungen, können Barrieren in den Köpfen überwinden und erlernen praxisnah, was Inklusion bedeutet.

Damit die Idee der Inklusiven Bildung im tertiären Bildungsbereich in Baden-Württemberg nach dem Ende des auf drei Jahre angelegten Projekts weiter systematisch verfolgt werden kann, müssen die Bildungsleistungen dauerhaft an Fach- und Hochschulen in die reguläre Ausbildung implementiert und Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für Bildungsfachkräfte geschaffen werden. Thorsten Lihl formuliert seine Erwartungen an das Treffen mit den Vertreter*innen aus der Politik folgendermaßen: „Ich wünsche mir von unserem Treffen heute, dass Sie sich entschließen, als Botschafter für unser Projekt in der Politik einzutreten.“ Kollegin Anna Neff wird dabei noch konkreter: „Wir wollen nach der Qualifizierung feste Arbeitsplätze. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung.“ Das Projekt „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“ ist ein Kooperationsprojekt der Fachschule für Sozialwesen der Johannes-Diakonie Mosbach und dem Institut für Inklusive Bildung gGmbH, einer selbstständigen, der Universität zu Kiel angegliederten Einrichtung. Unterstützt wird das Projekt maßgeblich durch die Dieter-Schwarz-Stiftung.

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