... Lernen in Neckarbischofsheim

Experten in eigener Sache

Stellten das Projekt „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“ vor: Prof Reinhold Geilsdörfer, Dr. Hanns-Lothar Förschler, Birgit Thoma, Stephan Friebe, Pro. Jo Jerg, Dr. Jan Wulf-Schnabel (v.l.).
Sie gehören zu den Vorbildern des Projekts „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“: Marco Reschat uns Isabell Veronese haben Ende Oktober ihre Qualifikation zur Bildungsfachkraft am Institut für inklusive Bildung in Kiel abgeschlossen. Foto: Institut für inklusive Bildung

Neckarbischofsheim. Männer und Frauen, die bislang in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen tätig sind, lehren künftig hauptberuflich an Fach- und Hochschulen zum Thema Behinderungen - und können von ihrer Bildungsarbeit leben. Dieses ehrgeizige Ziel verfolgt das Projekt „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“ der Fachschule für Sozialwesen der Johannes-Diakonie Mosbach. „Wir wollen Inklusion Wirklichkeit werden lassen“, erklärte Dr. Hanns-Lothar Förschler, Vorstandsvorsitzender der Johannes-Diakonie Mosbach, bei der Vorstellung des Projekts am Freitag. „Mit dem Projekt Inklusive Bildung arbeiten wir daran, dass sich Menschen mit Behinderung in eigener Sache selbst vertreten.“

Das Projekt Inklusive Bildung Baden-Württemberg will sechs Menschen mit Behinderungen zu Bildungsfachkräften ausbilden. Durch eine dreijährige Vollzeit-Qualifizierung an der Fachschule für Sozialwesen in Neckarbischofsheim lernen sie, wie gute Bildungsarbeit geplant, durchgeführt, reflektiert und ausgewertet wird. Die Qualifizierung befähigt sie, anderen ihre Lebenswelten, Bedarfe und spezifischen Sichtweisen als Menschen mit Behinderungen kompetent zu vermitteln. Zielgruppen sind Studierende, Lehrkräfte und Personalverantwortliche an Fach- und Hochschulen, in der Weiterbildung oder direkt in Unternehmen und anderen Organisationen.

Ermöglicht wird die Qualifizierung durch die Unterstützung der Dieter Schwarz Stiftung. „Nur dank dieser großzügigen Förderung ist dieses Innovationsvorhaben überhaupt möglich“, so Dr. Hanns-Lothar Förschler weiter. Professor Reinhold R. Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter Schwarz Stiftung, erklärte: „An Bildung hängt unser gesellschaftlicher Zusammenhalt und die Zukunft unseres Landes. Das gilt für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen.“ Dieses innovative Projekt erreiche einen einzigartigen Perspektivenwechsel. „Bildung wird zur gemeinsamen Angelegenheit, und Menschen mit Behinderungen werden als Kompetenzträger wahrgenommen.“ Projektleiter Stephan Friebe erläuterte, dass die jahrzehntelang kultivierte Trennung von Menschen mit und ohne Behinderungen heute zu Unsicherheit, Unerfahrenheit und Unwissen bei der Umsetzung von Inklusion führe. „Was gibt es da besseres, als dass Menschen mit Behinderungen selbst mithelfen, die Barrieren in den Köpfen zu beseitigen?“

Ausdrückliche Unterstützung erhält das Vorhaben durch die Pädagogische Hochschule (PH) Heidelberg und die Evangelische Hochschule Ludwigsburg als Kooperationspartner. „Die Pädagogische Hochschule erhofft sich durch die Kooperation und das gemeinsamen Lernen von Studierenden und Menschen mit geistiger Behinderung eine wechselseitige Bereicherung und eine Erweiterung der Perspektiven in der Lehre“, so die Prorektorin der PH Heidelberg, Prof. Dr. Vera Heyl. Immer wieder begegne sie Studenten, die noch keine Kontakte mit behinderten Menschen gehabt haben, berichtete Dr. Karin Terfloth, ebenfalls von der PH Heidelberg: „Direkte Kontakte helfen, Berührungsängste abzubauen.“ Prof. Jo Jerg von der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg ergänzte: „Menschen mit Behinderung sehen viel besser die Barrieren, die ihnen im Alltag begegnen. Für unsere Studenten ist es daher wichtig, solche Menschen kennenzulernen.“ Wichtig sei außerdem, dass diese Menschen als Bildungsfachkräfte genauso anerkannt und bezahlt würden wie andere.

Der Start der Qualifizierung ist für den Oktober nächsten Jahres vorgesehen. Bei der Umsetzung komme es auf das Engagement Vieler an, betont Stephan Friebe. Das Projekt Inklusive Bildung Baden-Württemberg möchte deshalb Akteure an Fach- und Hochschulen, in Politik und Verwaltung und in den Selbstvertretungsverbänden ansprechen, zur Mitwirkung einladen und so ein Netzwerk aufbauen.

Für die ambitionierten Projektziele kann das Projekt auf Erfahrungen aus dem hohen Norden zurückgreifen. In Schleswig-Holstein wurde ein erstes Modellprojekt bereits erfolgreich beendet: Fünf qualifizierte Bildungsfachkräfte arbeiten seit dem 1. November 2016 im Institut für Inklusive Bildung, einer angegliederten Einrichtung der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Der Geschäftsführer des Instituts, Dr. Jan Wulf-Schnabel, erklärte: „Bereits während der Qualifizierung haben wir in drei Jahren in 70 Veranstaltungen über 3.000 Personen direkt erreicht. Nun möchten wir unseren Erfolg teilen und bieten Baden-Württemberg unsere Erfahrungen an.“ Bundesweit und international findet die Qualifizierung große Beachtung. Das Institut für Inklusive Bildung steht mittlerweile in Kontakt mit rund 30 Fach- und Hochschulen, die an den Leistungen der Bildungsfachkräfte reges Interesse haben. „Baden-Württemberg ist hier Vorreiter für eine Inklusive Bildung in ganz Deutschland und darüber hinaus“, ist sich Wulf-Schnabel sicher.

Weitere Infos:
www.inklusive-bildung.org

Kontakt:
Stephan Friebe, Projektleitung Inklusive Bildung Baden-Württemberg
Tel. 01511 590 1074
Mail: stephan.friebe@johannes-Diakonie.de

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