... Lernen in Neckarbischofsheim

„Wir sind Teil der Vielfalt“

Heidelberg. Das Interesse war groß beim öffentlichen Vortrag der angehenden Bildungsfachkräfte des Projekts „Inklusive Bildung Baden-Württemberg“ im Heidelberger Mathematikon. Die „Heidelberg School of Education“ hatte die Veranstaltung organisiert, zu der neben Studierenden und interessierten Fachleuten auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer, Sozialminister Manne Lucha, Landesbehindertenbeauftragte Stephanie Aeffner sowie weitere Landtagsabgeordnete gekommen waren.

„Heterogenität im Bildungskontext – Menschen mit Behinderung lehren an Hochschulen“, so lautete der Titel der Veranstaltung mit Helmuth Pflantzer, Anna Neff, Thorsten Lihl, Hartmut Kabelitz und Michael Gänßmantel. Die angehenden Bildungsfachkräfte, die seit 2017 an der Qualifizierung teilnehmen, stellten dabei im wissenschaftlichen Teil ihres Vortrags den Bildungsbegriff nach Klafki und den Ansatz „Bildung für alle“ in den Mittelpunkt. Konkretisiert wurde dieser dann durch biografische Berichte der fünf Vortragenden. „Wie ist es, als behinderter Mensch in unserem Bildungssystem zurechtzukommen“, überschrieb Helmuth Pflantzer diesen zweiten, besonders eindrücklichen Teil der Veranstaltung.

„Bildung ist ein Menschenrecht“, machte Anna Neff deutlich. Dennoch habe auch sie die Erfahrung gemacht, dass ihr der Zugang zu Bildung verwehrt wurde, dass ihr als Mensch mit einer so genannten geistigen Behinderung nichts zugetraut werde. Selbst nach ihrer Bewerbung beim Projekt „Inklusive Bildung" habe sie gesagt bekommen: „Das kannst Du nicht.“ Und Helmuth Plantzer sei als junger Mensch gesagt worden: „Lesen und Schreiben lernen brauchst du nicht.“ Alle fünf beschrieben das Gefühl, nun als Lehrende beispielsweise an Hochschulen tätig zu sein, als „befreiend", als Bestätigung, dass Menschen mit Behinderung zu weit mehr fähig sind, als die Gesellschaft ihnen zutraut. Für sie war der Schritt heraus aus einer Werkstatt für behinderte Menschen in die Qualifizierung und dann künftig als Lehrende auf den ersten Arbeitsmarkt der richtige. „Jeder ist besonders, jeder ist anders – wir sind Teil der Vielfalt“, formulierte Hartmut Kabelitz. Wobei während der Veranstaltung auch verdeutlicht wurde, wie stark die Werkstätten selbst die die Teilnahme der fünf am Projekt unterstützt hatten und noch immer tun. „Die Kooperation mit den verschiedenen Werkstätten funktioniert hervorragend“, so Projektleiter Stephan Friebe.

Inzwischen haben die Teilnehmenden an der Qualifizierung zahlreiche Seminare und Vorlesungen an verschiedenen Hochschulen absolviert. Im Mittelpunkt steht dabei die Begegnung mit Studierenden. „Viele der jungen Menschen hatten noch nie eine Begegnung mit einem Menschen mit Behinderung“, berichtete Hartmut Kabelitz. Die Begegnung auf Augenhöhe, das Eröffnen anderer Perspektiven sei stets ein großes Plus. „Wir wollen mit unserer Arbeit eine Bereicherung für Hochschulen und die Gesellschaft sein – sie müssen uns einfach lassen“, brachte es Michael Gänßmantel abschließend auf den Punkt.

Auch bei der Veranstaltung im Mathematikon war der Austausch mit den Zuhörern wichtiger Teil des Konzepts. Dabei brachten sich auch die Minister Bauer und Lucha mit ein. Beide machten deutlich, wie beeindruckt sie von den Kompetenzen der künftigen Bildungsfachkräfte seien und welchen Wert deren Arbeit an den Hochschulen haben. Auch der Bedarf über die Hochschulwelt hinaus wurde deutlich. So erläuterte Qualifizierungsleiterin Sarah Maier, dass die Bildungsfachkräfte auch bei Weiterbildungen für Mitarbeitende in Verwaltungen und weiterer öffentlicher Einrichtungen wertvolle Impulse liefern können und werden.

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